Geheime Afghanistan-Dokumente sorgen für Wirbel

Das US-Militär hat insgesamt 92.000 geheime Dokumente veröffentlicht. Nach Abgleich im Land zeigt die Analyse, dass die Lage in Afghanistan immer schlimmer wird und mit jedem Tag schwieriger diese Situation zu ändern. Während unser Verteidigungsminister zu Guttenberg und der US-Präsident Obama ebenso, immer denken, dass sich die Lage bessert und in einigen Jahren mit dem Abzug der Truppen gerechnet werden kann, ist nach den Protokollen ein Abzug der Bundeswehr und des US-Militärs nach bereits neun Jahren erst nach Jahrzehnten möglich.

Die Inhalte der Protokolle berichten über verschiedene Aspekte, die veranschaulichen lassen, dass wir es in Afghanistan mit Krieg zu tun haben.

Die Rolle der Usbeken

Die Usbeken waren eine Mehrheitsbevölkerung. General Dostum hatte Ende 2001 mit Hilfe der US-Spezialkräfte die Gegend für die Usbeken zurückerobert. Andersrum musste die paschtunische Minderheit mit Misshandlungen, Vergewaltigungen, Mord und Raub büßen. Der Gemeindechef klagte über Abwanderungen und Flucht. „Wenn man zwischen Sar-e-Pol und Mazar-e-Sharif entlangfahre, komme man unweigerlich an all dem Land vorbei, das die Usbekenkämpfer den Paschtunen weggenommen haben“, sagte der Gemeindevorsteher. Die UN habe vor, die gesamte Gegend von Paschtunen zu säuber, so der Gemeindevorsteher. Die meisten Familien sind nach Pakistan oder in den Süden Afghanistans gezogen. In Balkh einer Nachbarprovinz von Sar-e-Pol gab es gezielte Morde an Paschtunenführern. „Haben Sie Verständnis dafür, wenn wir uns zu den Massengräbern nicht äußern“, heißt es aus der Gemeinde. Gemeint waren General Dostums Killing Fields, auf denen etwa 2000 Taliban-Kriegsgefangene liegen, die der Usbekenführer 2001 ermorden ließ – unter den Augen von US-Spezialkräften, wie zahlreiche Quellen belegen. Die Türkei setze sich für den General Dostum nach den Berichten besonders ein. Am 1. Juni 2007 beschwert sich die Regierung in Ankara beim US-Botschafter in Afghanistan darüber, dass die Zentralregierung gegen Dostum die Polizei einsetze. Bei einem Besuch im Jahr 2009 wurde klar, dass die Paschtunen nichts gegen den Einsatz ausländerischer Truppen haben, doch das sie enttäuscht seien, dass die Usbeken und ihre Anführer nicht für die Taten bestraft wurden.

Die Errungenschaft der Schule im Dorf Ali Abod

Sozusagen die einzige Errungenschaft der US-Regierung. Geschützt wird sie von zwei afghanischen Wachleuten. Es gab auch bisher nur sehr wenige Zwischenfälle. Doch am 17. Oktober 2009 taucht vor der Schule Mullah Rahmatullah, ein sehr bekannter Talibanführer auf. Er entwaffnete die Wachen und nahm die Waffen mit.

Der Wendepunkt im Jahr 2006

Die Berichte ergeben eine Art Dramaturgie, in der das Jahr 2006 offenbar ein Wendejahr ist. Hier geriet die Lage völlig außer Kontrolle. Am 12. Dezember melden die US-Spione: Usbekenführer Dostum hat sich mit den bekanntesten Warlords der Nordallianz verbündet, um einen Putsch gegen Präsident Karsai vorzubereiten. Die afghanische Bevölkerung protestiert wegen Schäden, die das westliche Militär verursacht hatte. Die Expräsidenten aus den Zeiten des Bürgerkriegs, Marschall Mohammed Fahim und Burhanuddin Rabbani wurden in diesem Zusammenhang ebenso erwähnt. Ziel war, das Land von den Fremdherrschern zu befreien, die derzeitige Regierung auszuwechseln und eine neue Regierung aus Mudschaheddin zu proklamieren, so geht es aus den Berichten hervor. Die US-Regierung habe aber versagt.

Der Geheimdienst in Pakistan

Sehr viele Seiten der Protokolle berichten über den Geheimdienst ISI im Nachbarland von Afghanistan. Altfundamentalist Gulbuddin Hekmatyar, einst wichtigster Verbündeter Pakistans und der USA im Kampf gegen die Sowjets in der Region, ist der selbst ernannte Gotteskrieger abgetaucht und kämpft mit seinen Leuten gegen die Isaf. Hekmatyar hatte eine große Verbindung zum pakistanischen Geheimdienst. Wie ein roter Faden lassen sich die Aktionen des ISI von 2004 bis 2009 verfolgen und überdauern auch den Wechsel von der Regierung Musharraf bis zur neuen Regierung in Islamabad. Einer der jüngsten pakistanischen Terrorpläne, von dem in den Reports zu lesen ist, stammt vom Ende des Berichtszeitraumes, aus dem Oktober 2009. Der Geheimdienst hatte für die US-Regierung eine große Bedeutung

Geheime Spezialeinsätze

Einsätze, die an die Geheimhaltung gebunden sind, sind nun mit den Berichten auch ans Licht geworfen worden. Einsätze die nicht nur unter „Secret“, sondern unter „Top Secret“ gelaufen sind, lassen klar werden, warum die Einsatzkräfte oft nicht wussten, wo sich andere Einsätze befinden. Spuren solcher Spezialeinsätze sind zum Beispiel der Fall der US-Task Force 373, die am 17. Juni 2007 auf einen hohen Al-Qaida-Funktionär Jagd macht und dabei auch Opfer unter Zivilisten verursacht. Unter anderem starben sechs Kinder im Rahmen der Operation. Doch hier wahrt sich das US-Militär noch einigermaßen sein Gesicht und veröffentlicht nicht alle Spezaileinsätze in den Protokollen. In nächster Zeit soll ein neues Dokument veröffentlicht werden, was ein Einsatzvideo von einem US-Luftschlag in der afghanischen Ortschaft Garani beinhaltet. Hierbei wurden mehr als 95 Zivilisten getötet.

Mehr zu diesem Thema kann man im Buch „Afghanistan-Code. Eine Reportage über Krieg, Fundamentalismus und Demokratie“ nachlesen. Der Autor dieses Buches ist freier Journalist und war oft für die ARD in Afghanistan unterwegs. Er begleitete die verschiedensten Armeen und reiste auch alleine durchs Land. Für eine Afghanistan-Reportage erhielt er 2009 den Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus.

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