Aufstand in Tunesien

Obwohl die Regierung von Tunesien in der Öffentlichkeit stets von einem stabilen Wirtschaftswachstum spricht, ist die Lage für Arbeitssuchende im Land katastrophal. Nicht nur ältere, auch oft jüngere Leute haben es hier schwer, eine Arbeit zu finden. Jede zweite offene Stelle ist nur zu bekommen, wenn Behörden um Ämter bestochen werden. Maya al-Jreibi, Generalsekretärin der Nationaldemokratischen Partei Tunesiens spricht aus, was alle Menschen wissen: „Das Regime ist korrupt bis ins Mark!“ Die Verzweiflung der Bevölkerung hat in der Vergangenheit schon zu vielen öffentlichen Selbsttötungen geführt. Nach dem sich Mitte September ein junger, arbeitsloser Akademiker angezündet hatte, kam es zu Protesten im ganzen Land, an denen sich vor allem Schüler und Studenten beteiligten, die wenig Hoffnung auf ein geregeltes Einkommen nach ihrer Ausbildung haben. Die Festnahme etlicher Demonstranten führte nicht, wie von der tunesischen Regierung gehofft, zur Einstellung der Proteste, sondern heizte die Stimmung weiter auf. Inzwischen finden täglich gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen jungen Demonstranten und Polizeikräften in der Hauptstadt Tunis statt. Mindestens 30 Menschen wurden bisher durch Polizei und der hinzugezogenen Armee getötet. Präsident Ben Ali hat sich mit einer Fernsehansprache an die Bevölkerung gewandt und klar gemacht, dass für ihn die Demonstranten Verschwörer und Terroristen sind: „Hinter diesen Unruhen stecken Menschen, die unsere Kinder instrumentalisieren, es sind Studenten und Arbeitslose, Leute, die unsere Jugend aufwiegeln und Lügen über die Regierung verbreiten.“ In seiner Ansprache versprach er 300.000 neue Jobs und die Einrichtung einer Gesprächsrunde, in der die Ängste und Meinungen der Bevölkerung ernst genommen würde. Gleichzeitig lies er Schulen und Universitäten schließen, damit sich dort keine neuen Protestgruppen formieren können. Für die Opposition sind das haltlose Versprechungen. Jreibi: „Das ist die gleiche Reaktion wie immer. Lügen und leere Versprechungen, das sind die Methoden, mit denen das Regime die Leute einwickelt. Und weil gleichzeitig scharf geschossen wird, heizt Ben Ali die Stimmung noch weiter an. Wir verlangen Freiheit, Wohlstand, Gerechtigkeit! Wir wissen, dass die Führer dieses Regimes korrupt sind bis ins Mark. Wie kann man in diesem Land weiterleben? Welche Regierung auf dieser Welt schlachtet ihre eigenen Kinder ab, eins nach dem anderen?“

Update: Präsident Ben Ali lenkt ein

Nach den Protesten mehrerer europäischer Regierungen, hat der tunesische Präsident Ben Ali jetzt das Ende der Gewaltanwendung gegen Demonstranten angeordnet. Außerdem gab er in einer Fernsehansprache bekannt, bei der nächsten Wahl nicht wieder kandidieren zu wollen. Ben Ali: „Genug der Schüsse … genug der Gewalt. Ich möchte keine weiteren Opfer mehr sehen.“ Aus Verzweiflung über die hohe Arbeitslosigkeit und die stark verbreitete Korruption war es seit Mitte Dezember zu gewaltsamen Unruhen vor allem in der Hauptstadt Tunis gekommen. Polizei und die zugezogene Armee gingen mit Waffengewalt dagegen vor. Dabei wurden mehrere Menschen getötet, darunter Kinder und Jugendliche. Präsident Ben Ali gab in seiner Ansprache zu, dass er die Situation falsch eingeschätzt und mit unangemessener Härte reagiert habe.

2 Gedanken zu „Aufstand in Tunesien

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